Hippie-Folk

Die Musik blüht im Verborgenen

Im Schatten der erfolgreichen Folk-Rock-Bands wie Fairport Convention oder Pentangle der späten 1960er und frühen 1970er Jahre blühte in Großbritannien eine spezielle Folk-Mixtur, die als Hippie-, Acid-, Freak-, Prog- oder Psychedelic Folk beschrieben wird. Die Platten der kurzlebigen Bands erschienen nur in kleinen und kleinsten Auflagen, oft als Privatpressungen. Einige sind heute gesuchte Sammlerstücke.

Cornufolia und Dust in the Nettles

Die Gruppen trugen fantasiereiche Namen wie Gaslight, Red Television, Fresh Maggots, Marie Celeste, Frozen Tear oder Paper Bubble. Einen guten Überblick über diese Szene vermitteln die beiden Sampler „Dust in the Nettles“ vom Grapefruit Lable oder „Cornufolkia“ von Audio Archives.

Das drei CDs umfassende „Dust in the Nettles“ mischt bekannte Folk-Rock-Bands wie Pentangle, Steeleye Span, Fairport Convention, Tyrannosaurus Rex oder Incredible String Band mit wenig bis unbekannten wie Moths, Dry Heart, Chimera, Mother Nature oder Country Sun. Die Box heißt im Untertitel „a journey through the british underground folk szene 1967-72“. Ein 36 Seiten dickes Booklet enthält ausführliche Informationen zu allen 63 Songs. Über „Scarborough Fair“ der Gruppe Fokal Point erfährt man zum Beispiel, dass es eine Schülerband aus Bristol war, die das selbstbetitelte Album im Winter 1971/72 aufnahm. 500 Exemplare wurden vom Midas Label gepresst, 250 davon wurden bei einer Flut vernichtet. Die Version von „Scarbourough Fair“ der Schülerband ist hinreißend.

Die Doppel-CD „Cornufolkia“ versammelt 43 Songs ausschließlich von wenig bis unbekannten Bands, deren Platten in kleinsten Auflagen erschienen sind. „A hidden history of psychedelic-folk from the fritih & emerald isles“ heißt das Werk denn auch im Untertitel. „Ceathrar“ „Pendragon“, „Reality From Dream“, „Evensong“ oder „Faraway Folk“ oder „Mirk“ nannten sich die Bands, die hier versammelt sind. Auch zu diesem Sampler gibt es auf einem ausfaltbaren Cover Informationen zu allen Songs und Bands. Zum Song „Prisoner“ der Gruppe Marie Celeste erfährt man, dass die Band aus Musikern der Folk-Clubs von Wolverhampton waren und ihre Platte „And Then Perhaps“ zu den raresten Folk-Privatpressungen zählt.

Wooden Horse und The Wicker Man

In seiner „Great Folk Discography“ widmet Martin C. Strong den Platten jener Bands das Kapitel „Cult, Collectable & Continental“. Dort sind zum Beispiel die „Wooden Horse“ aufgeführt, die aus Australien nach England gekommen waren und hier zwei wunderschöne Platten auf den Markt brachten, die von Kritikern hoch gelobt wurden, aber nur wenige Käufer fanden. Schlicht als „Wooden Horse I“ und „Wooden Horse II“ betitelt, zeichnen sich die beiden Werke durch ihren betörenden mehrstimmigen Gesang aus, bei dem Susan Traymor herausragt. Traymor formierte später die Gruppe Fox, die mit ihrem Folk-Pop erfolgreicher war, und nannte sich Noosha Fox.

Als „The Sun Also Rises“ spielte das Ehepaar Anne und Graham Hemmingway eine betörende Platte ein. Strong bezeichnet das Werk als „a magical, mystical tour of esoteric folk harmonies under a psychedelic, twee hippiedom“. Graham spielt eine Mischung aus klassischer und Folk-Gitarre, Anne begleitet ihn auf der Dulcimer, mit Glockenspiel und Percussion, dazu glänzen beide mit wunderchönen Gesangsharmonien.

Zu den herausragenden Werken dieses verwunschenen Folk-Genre gehört eine Filmmusik. Die allerliebsten Folk-Töne untermalen einen – Horrorfilm. „The Wicker Man“ heißt der Film von 1973.

Die Musik hat Paul Giovanni geschrieben, gespielt wird sie von der Band Magnet. Im Song „The Tinker Of Rye“ singt Christopher Lee, der Filmbösewicht jener Zeit, mit tiefer Stimme im Duett mit Diane Cilento. Die Musik zu Wicker Man sei die beste Musik, die er je in einem Film gehört habe, sagt Lee. Die Songs in diesem Film seien ganz anders als alle anderen. Hört man die Songs, ohne den Film zu kennen, denkt man an eine romantische Liebesgeschichte,. Die Musik sei etwas vom Psych-Folk jener Zeit und stark vom Neo-Folk beeinflusst, meint Strong und gibt der Platte mit zehn Punkten seine seltene Höchstbewertung.

In Deutschland entstand in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren eine ganz ähnliche Folk-Bewegung. Witthüser & Westrupp, Hölderlin, Ougenweide und Bröselmaschine gehören zu ihren bekannteren Vertretern. Ein großartiges Werk lieferten „Carol Of Harvest“ mit ihrer erst 16 Jahre alten Sängerin Beate Krause ab. Eröffnet wird die Platte, die nur den Gruppennamen trägt und das einzige Werk der Band blieb, mit dem 16 Minuten langen „Put On Your Night Cap“, ein Meilenstein des Prog-Folk.

Strong spricht im Zusammenhang mit der Musik von „Carol Of Harvest“ auch vom Kraut-Folk in Anlehnung an den Kraut-Rock. Englische Sammler haben für die rare Scheibe über 1000 Pfund bezahlt, berichtet Strong.

„Carol Of Harvest“ ist inzwischen – wie viele andere Werke der Freak-Folk-Szene – auf CD wiederveröffentlicht worden. Einige dieser CDs sind inzwischen selbst wieder zu raren Sammlerstücken geworden.

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