Die Tribute-Konzerte
Auf seiner Gitarre stand „This Machine kills Fascists“. Er sang für Wanderarbeiter, über verheerende Sandstürme, den Bau des Grand Coulee Damms (eine Talsperre des Colorado Rivers) und Lieder des Lincoln-Brigade (einer internationalen Einheit im spanischen Bürgerkrieg). Mit „This Land is your Land“ schrieb er die inoffizielle Nationalhymne der USA. Woody Guthrie war Vorbild der jungen Folk-Musiker in den 1960er Jahren. Die ehrten ihr Idol nach dessen Tod am 3. Oktober 1967 mit zwei Tribute-Konzerten. Dabei waren Bob Dylan, Joan Baez, Country Joe McDonald, Arlo Guthrie, Pete Seeger, Odetta, Richi Havens, Ry Cooder, The Band und viele, viele andere. Die Konzerte sind nun in einer mächtigen Box mit zwei dicken Büchern und drei CDs dokumentiert worden. Das deutsche Label Bear Family hat den fast zwei Kilo schweren Schatz gehoben.
Dylans erster Auftritt nach zwei Jahren
Schaut man sich die Fotos vom ersten Konzert am 20. Januar 1968 – drei Monate nach dem Tod Woodys – in der Carnegie Hall an, so sieht man, dass dieses Konzert noch deutlich unter dem Eindruck des Todes des beliebten Musikers steht: Publikum und Musiker tragen schwarz. In der gediegenen Atmosphäre der Carnegie Hall ist wenig zu spüren von der Hippie-Kultur, die damals Hochzeit hatte und der Woodys Sohn Arlo mit seinem Song „Alice‘s Restaurant“ ein Denkmal gesetzt hat. Beim zweiten Konzert gut zweieinhalb Jahre später in der Hollywood Bowl ist die Stimmung anders. Die Musiker geben sich in der Atmosphäre des riesigen Amphitheaters deutlich lockerer und die Musik wird rockiger. Beide Konzerte waren von Woodys Frau Marjorie Mazia Guthrie und seinem alten Freund Harold Leventhal, einem Künstler-Manager und Konzertveranstalter, organisiert worden.
Star des Konzertes in der Carnegie-Hall war Bob Dylan. Es war sein erster Auftritt, nachdem er den Bühnen nach einem Motorradunfall zwei Jahre fern geblieben war. Als Begleitband hatte er Robbie Robertson, Levon Helm, Garth Hudson, Rick Danko und Richard Manuel mitgebracht, die Bald darauf als „The Band“ Triumphe feierten. Dylan sang die Songs „Grand Coulee Dam“, Dear Mrs. Roosevelt“ und „I Ain‘t Got No Home“ aus der Feder seines (damaligen) Idols und am Ende des Konzertes mit allen Musikern „This Land is Your Land“.
Ein „Best of“ der Guthrie-Songs
Beim Konzert in der Hollywood Bowl war Dylan nicht mehr dabei. County Joe McDonald stieß dazu und die Moderation hatte der Schauspieler Peter Fonda übernommen, der im Jahr zuvor durch den Film „Easy Rider“ bekannt geworden war. Als Band spielten Musiker auf, die damals vor allem mit Arlo Guthrie zusammengearbeitet hatten: John Beland, Gib Guilbeau, Thad Maxwell und Stan Pratt (die auch für Linda Ronstadt gearbeitet und an „Flying Burrito Brothers“ angehört hatten, sowie Ry Cooder und Chris Ethridge.
Die Songs der beiden Konzerte sind ein „Best of“ von Woody Guthrie: „This Train Is Bound For Glory“, „Pastures Of Plenty“, „Pretty Boy Floyd“, „Deportee“, „Oklahoma Hills“, „Union Maid“, „Do Re Mi“, „Roll On Columbia“ …, gesungen in wechselnder Besetzung. Großartige Konzerte alle beide. Bislang waren sie nur dürftig der Nachwelt erhalten.
1972 waren zwei Platten mit Konzertmitschnitten erschienen, bei denen nicht deutlich wurde, welcher Song aus welchem Konzert stammte. Bei Columbia Records erschien „A Tribute To Woody Guthrie, Part One“, bei Warner Bros. Records „A Tribute To Woody Guthrie, Part Two“. Vier Jahre später wurden beide Platten als Doppelalbum später auch als CD veröffentlicht.
20 unveröffentlichte Songs
Das Deutsche Label Bear Family Records hat aus den beiden Konzerten nun eine wunderbare Box gemacht mit drei randvollen CDs und zwei Büchern. Die CDs enthalten 20 Songs, die hier zum ersten Mal veröffentlicht sind. Die Konzerte sind getrennt und die Songs in der originalen Reihenfolge zu hören. Dazu kommen zwei stattliche Bücher. Im ersten, 160 Seiten dicken, erzählen die Guthrie-Tochter Nora, Präsidentin der Woody Guthrie Foundation, der deutsche Musikjournalist und Guthrie-Experte Michael Kleff sowie der Musikproduzent Steve Rosenthal reich bebildert die Geschichte der Konzerte und die Lebensgeschichte Woody Guthries. Das zweite ist die Reproduktion der 88-seitigen Begleitbroschüre zu den ersten beiden Schallplatten von 1972.
Im Buch kommen auch die Musiker zu Wort, die bei den Konzerten aufgetreten waren. Es erinnert sich auch einer, der in der Carnegie Hall verärgert im Publikum saß, weil er nicht auf der Bühne stehen durfte: Phil Ochs, der politischste aller damaligen Folk-Musiker. Und der kommt als erster zu Wort, beklagt sich, dass ein Richie Havens auf der Bühne stehen darf, und er, der in Guthries Spuren mit Songs wie „I Ain‘t Marching Anymore“ wandelt, eben nicht. Den Reigen der Konzerterinnerungen „We were there …. at the Carnegie Hall“ in dem Buch mit Phil Ochs zu beginnen, ist ganz groß.
Wer die Box „Woody Guthrie – The Tribute Concerts“ zu Weihnachten verschenken möchte, sollte schon mal anfangen zu sparen: Sie kostet 99,95 Euro.